Die akute Pankreatitis wurde früher in zwei Verlaufsformen eingeteilt: die häufigere ödematöse Pankreatitis (85%) und die schwere nekrotisierende Pankreatitis (15%).Bei der ödematösen Pankreatitis finden sich Ödeme und Granulozyteninfiltrate im Interstitium. Es kann zu Fettgewebsnekrosen kommen. Die nekrotisierende Pankreatitis ist durch intra- und extrapankreatische Fettgewebs- und Parenchymnekrosen mit Einblutungen gekennzeichnet.
Im Jahr 2012 teilte die Atlanta-Klassifikation die Pankreatitis in eine frühe (erste) und eine späte (zweite) Phase der Pankreatitis ein. Zudem wurde die Pankreatitis in mild (ohne Organversagen, keine lokalen oder systematischen Komplikationen), moderat (Organversagen innerhalb 48 Stunden, welches sich wieder zurückbildet, lokale oder systematische Komplikationen ohne persistierendes Organversagen) und schwer (persistierendes Organversagen, welches > 48 Stunden auftritt, Organversagen) eingeteilt.
In der frühen Phase ist das Auftreten eines (Multi-)Organversagens prognostisch relevant, während in der zweiten Phase mögliche Infektionen von Nekrosen (bei ca. 25% der Patienten) im Vordergrund stehen.
Die weltweite altersbezogene Inzidenz der Erkrankung beträgt 16 (Männer) bzw. 10,2 (Frauen) pro 100.000 Einwohner. Die Erkrankung tritt insbesondere zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr auf.
Die häufigsten Ursachen für eine akute Pankreatitis sind Gallenwegserkrankungen (wie beispielsweise eine Choledocholithiasis, ein Gallensteinabgang, eine Stenose der Papille duodeni major) in 45% der Fälle und Alkoholabusus (35%). Dahinter kommen die idiopathische Pankreatitis (15%) und seltenere Ursachen wie Virusinfektionen (z.B. Mumps), Hypertriglyceridämie; iatrogen nach ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikographie) und Bauchtraumata. Akute Pankreatitiden können auch aufgrund von hereditären (z.B. Mutationen im Trypsinogen-Gen) und autoimmunen (z.B. Sjögren-Syndrom) Prozessen entstehen. Ferner können Tumore oder penetrierende Ulzera (duodeni/ventriculi) zu der Entstehung einer akuten Pankreatitis führen. Es sind auch Pankreatitiden nach Medikamenteneinnahme, beispielsweise nach Enalapril, Statinen und Carbimazol, beschrieben worden.
Im Rahmen der akuten Pankreatitis kommt es zu einer intrapankreatischen Aktivierung von Verdauungsenzymen. Das Pankreas wird also durch proteolytische Enzyme autodigestiert. Die Acinuszellen werden geschädigt und es folgt eine inflammatorische Reaktion mit Proteolyse, Blutungen, Ödemen und einer Vasodilatation. Bei schwerem Verlauf kann der Prozess in eine Nekrose münden mit möglichem septischem Verlauf.
Durch freigesetzte Lipasen, Protestasen und Elastasen kann eine akute hämorrhagische Pankreatitis entstehen. Calcium-Ionen werden durch die freiwerdenden Fettsäuren gebunden und verseifen (Saponifikation).
Kapillarleckagen und Vasodilatation entziehen dem Kreislauf Flüssigkeit. Diese Flüssigkeit akkumuliert im Pankreas, dem umgebenden Gewebe und in der Bauchhöhle. Aszites bis hin zu Hypotonie mit reduzierter Organperfusion sind die Folgen. Davon sind vor allem die Nieren betroffen.
Die akute Pankreatitis ist durch akute Oberbauch- und/oder Thoraxschmerzen charakterisiert. Diese ziehen oft gürtelförmig in den Rücken hinein. Bei Gallensteinen können die Schmerzen kolikartig verlaufen. Schmerzlose Verläufe der Erkrankung sind sehr selten. Ferner können Übelkeit und Erbrechen auftreten. Oft wird auch das Auftreten von Meteorismus oder einem paralytischem (Sub-)Ileus mit spärlichen Darmgeräuschen beschrieben. Es können zudem Aszites oder auch Pleuraergüsse auftreten. Im Rahmen einer akuten Pankreatitis können ferner bläulich-livide oder grün-braune Ekchymosen in charakteristischer Lokalisationen etwa periumbilikal (Cullen-Zeichen), im Bereich der Flanken (Grey-Turner-Zeichen) oder der Leiste entstehen. Diese sind selten und prognostisch ungünstig. Typisch für eine akute Pankreatitis ist der „Gummibauch“ mit nur mäßiggradiger Anspannung der Bauchdecke.
Diagnosekriterien: Die Diagnose einer akuten Pankreatitis kann nach internationalen Leitlinien gestellt werden, wenn zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind:
Ablauf Diagnostik: Die Diagnostik der akuten Pankreatitis beginnt mit der Anamnese, die u.a. die typischen Symptome, Gallensteinanamnese und Alkoholkonsum abfragt. Darauf folgt die klinische Untersuchung des Patienten. Diese sollte mindestens die Vitalparameter Blutdruck und Puls beinhalten, die Lunge sollte auskultiert und die Körpertemperatur gemessen werden. Das Abdomen wird auf Druckschmerz und Abwehrspannung untersucht. Es werden die Darmgeräusche auskultiert sowie auf Zeichen wie das Grey-Tuner- oder Cullen-Zeichen geachtet.
Laborchemische Parameter: Die Serum-Lipase besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität zur Diagnostik einer akuten Pankreatitis. Zu beachten ist bei diesem Laborparameter, dass die Höhe der Serum-Lipase keine Rückschlüsse auf den Schwergrad der Pankreatitis gibt und damit keine prognostische Aussage zulässt.
Im Rahmen der Diagnostik ist es wichtig die Ätiologie der vorliegenden Pankreatitis zu klären, da dies sowohl prognostische als auch therapeutische Konsequenzen hat. Eine biliäre Pankreatitis sollte frühzeitig erkannt werden, da bei dieser Pankreatitisform eine zielgerichtete Therapie mittels endoskopischer Steinentfernung möglich ist. Um die biliäre Pankreatitis nachzuweisen, werden im Labor die Cholestase-Parameter AP, gGT und Bilirubin sowie die Transaminasen bestimmt. Eine GPT-Erhöhung auf mehr als 300% der Norm spricht für eine biliäre Genese (positiv prädikativer Wert von 95%).Insgesamt sollten als Laborparameter bei Verdacht auf akute Pankreatitis mindestens die Lipase, ALT, gGT, Blutbild, LDH, CRP, Calcium, Kreatinin, Harnstoff, Triglyceride sowie die Blutglucose bestimmt werden.
Als nächster Schritt sollte die Sonographie erfolgen. Hiermit können beispielsweise Nekrosen, Abszesse, ggf. Aszites, eine Choledocholithiasis bzw. erweiterte Gallenwege dargestellt werden. Ist mit Hilfe der Laborparameter und der Sonographie eine biliäre Genese nicht sicher auszuschließen, kann die Endsonographie helfen. Mit ihrer Hilfe können insbesondere präpapilläre Konkremente besser als mit dem konventionellen Ultraschall nachgewiesen werden.
Eine ERCP kann das Gallen- und Pankreasgangsystem darstellen und bietet gleichzeitig Interventionsmöglichkeiten (z.B. Steinextraktion und/oder Gallengangs-Stent bei Cholestase). Bei Verfügbarkeit und vorhandener Expertise kann alternativ eine MRT-Cholangiopankreatikographie (MRCP) erfolgen.
Es muss zwischen einem schweren Verlauf und einer leichten Pankreatitis unterschieden werden, da die schwere Form eine frühzeitige intensivmedizinische Überwachung benötigt.
Für die Unterscheidung stehen verschiedene Methoden zur Verfügung:
Als prognostische Parameter haben sich der Schmerzbeginn und das Auftreten einer Hyperglykämie gezeigt. Bei einer akuten nekrotisierenden Pankreatitis ist der Beginn meist fulminant. Auch eine Hämatokriterhöhung zeigt einen hohen negativen prädikativen Wert für das Auftreten einer nekrotisierenden Pankreatitis. Weitere prognostisch ungünstige Parameter sind eine Leukozytose (>16 g/l), ein Alter >55 Jahre, ein Body-Mass-Index >30, eine Serum-Kalziumkonzentration <2 mmol/l und eine Lactatdehydrogenase >350 U/l.
Jede akute Pankreatitis sollte stationär überwacht werden, da der Verlauf bzw. der Schweregrad insbesondere im Initialstadium schlecht vorhergesagt werden kann. Eine intensivmedizinische Betreuung ist insbesondere bei der nekrotisierenden Pankreatitis frühzeitig indiziert.
Bei einer biliären Pankreatitis, einer Hypercalciämie und einer Hypertriglyceridämie als Ursache stehen spezifische therapeutische Maßnahmen zur Verfügung. Bei den restlichen akuten Pankreatitiden steht keine kausale Therapie zur Verfügung.
Bezüglich des Effektes von Antibiotika bei akuter Pankreatitis ist die Studienlage widersprüchlich. Eine Metaanalyse zeigte eine Letalitätssenkung unter Antibiose, während andere Studien dies nicht bestätigen konnten. Eine prophylaktische Antibiose wird nicht empfohlen. Bei Bedarf kann eine Antibiose verwendet werden.
Bei nachgewiesener biliärer Genese der Pankreatitis ist eine ERCP sinnvoll und kann zur Reduktion von Komplikationen beitragen. Die ERCP sollte binnen 72 Stunden stattfinden. In Bezug auf die Ernährung der Betroffenen wird mittlerweile zunehmend die parenterale Ernährung durch eine frühzeitige enterale Ernährung ersetzt, sofern nichts dagegen spricht (z.B. Darmparalyse).
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Therapie der akuten Pankreatitis ist die adäquate Analgesie der Patienten. Aktuell wird ein Opiod-basiertes Stufenschema empfohlen. Die akute Pankreatitis geht in der Regel mit einer frühzeitigen intravasalen Hypovolämie einher. Eine frühzeitige Volumengabe innerhalb der ersten 12-24 Stunden wird daher empfohlen. Die Frage nach der Höhe der Volumenzufuhr bei der akuten Pankreatitis ist gemäß Expertenmeinung schwierig einzuschätzen, da die Angst vor pulmonaler Überwässerung besteht. Auf der anderen Seite wird der Flüssigkeitsbedarf insbesondere bei der leichten ödematösen Form häufig unterschätzt.
Insbesondere bei der schweren Pankreatitis oder schweren Vorerkrankungen wie einer Herzinsuffizienz muss frühzeitig ein hämodynamisches Monitoring erfolgen. Hierfür können volumenbasierte Vorlastparameter, wie beispielsweise das globale enddiastolische Volumen bzw. das intrathorakale Blutvolumen herangezogen werden, die günstiger zu sein scheinen als der zentrale Venendruck oder ein Pulmonalarterien-Katheter.
Die meisten Leitlinien empfehlen bei der nekrotisierenden Pankreatitis ohne Keimnachweis ein konservatives Therapievorgehen. Beim Auftreten von Nekrosen kann ein minimal-invasives Step-up-Vorgehen beginnend mit primär endoskopischer Drainage und falls notwendig endoskopischer Nekrosektomie eine bessere Prognose bedingen.
Die milde ödematöse Pankreatitis nimmt in der Regel einen leichten Verlauf mit kompletter Rückbildung der Symptomatik ohne Organversagen, während die nekrotisierende Pankreatitis mit systemischen inflammatorischen und organischen Komplikationen assoziiert ist. Bei einer akuten Pankreatitis kann es innerhalb kürzester Zeit zu einer entzündlichen Reaktion kommen. Die bakterielle Infektion von Pankreasnekosen kann zu einem Pankreatitis-assoziierten Organversagen führen und ist damit ein wichtiger prognostischer Marker. Die Letalität bei infizierten Nekrosen (ca. 25%) ist höher als bei sterilen Nekrosen (ca. 5%). In schweren Fällen geht die nekrotisierende Pankreatitis bis hin zum lebensbedrohlichen Systemic Inflammatory Response Syndrome (SIRS) mit Multiorganversagen. Die Letalität der milden Pankreatitisform liegt bei ca. 1%.
Eine akute Pankreatitis kann durch exzessiven Alkoholabusus ausgelöst werden. Die Reduktion bzw. das Meiden von Alkohol kann zur Prophylaxe einer akuten Pankreatitis beitragen. Ebenso kann die Vermeidung einer Hypertriglyceridämie zur Verhinderung einer akuten Pankreatitis beitragen.