Hämorrhoiden sind arteriovenöse Gefässpolster, die zirkulär in der Submukosa des Enddarms angeordnet sind und den Afterschließmuskel abdichten. Bei einem Hämorrhoidalleiden sind diese Polster erweitert/vergrößert. Sie prolabieren zuweilen in den Analkanal oder nach außen. Typische Hämorrhoidalbeschwerden sind perianale Schwellungen, quälender Juckreiz, Schmerzen und Brennen im Afterbereich, transanale Blutungen, Afternässen und Stuhlschmieren. Die Einteilung erfolgt stadienabhängig in Grad I bis IV, die Übergänge sind fließend. Die Therapie richtet sich nach dem Stadium und der Ausprägung der Beschwerden. Bei Grad I–II Hämorrhoiden kommen stuhlregulative Maßnahmen, Lokaltherapeutika und minimalinvasive Verfahren wie Sklerosierung oder Gummibandligaturen zur Anwendung. Bei fortgeschrittenen bzw. hochgradigen Hämorrhoiden (Grad III-IV) hilft oft nur noch eine operative Behandlung.
Hämorrhoiden: Hämorrhoiden sind Gefäßkonvolute, die physiologisch bei jedem Menschen und in jeder Altersgruppe vorhanden sind. Der Corpus cavernosum recti (CCR) ist ein breitbasig aufsitzendes, schwammartiges Gefäßpolster, das ringförmig in der Submukosa des distalen Rektums liegt und unmittelbar oberhalb der Linea dentata in der anorektalen Übergangszone bzw. Transitionalzone endet. Mit ihnen wird die Feinabdichtung des Afters bzw. die Feinkontinenz des Analkanals gewährleistet.
Hämorrhoidalleiden: Als Hämorrhoidalleiden oder symptomatische Hämorrhoiden werden vergrößerte bzw. erweiterte Hämorrhoiden, die mit Beschwerden einhergehen, bezeichnet.
Hämorrhoidalbeschwerden: Unter Hämorrhoidalbeschwerden werden die mit einem Hämorrhoidalleiden assoziierten Symptome verstanden.
Das Hämorrhoidalleiden ist eine der häufigsten Erkrankungen in den Industrienationen. Die Inzidenz der Patienten, die deshalb eine Arztpraxis aufsuchen, wird mit circa 4 Prozent angegeben. Der Häufigkeitsgipfel liegt bei beiden Geschlechtern zwischen dem 45. bis 65. Lebensjahr. In einigen Studien sind Frauen und Männer gleich häufig betroffen, andere Arbeiten beschreiben eine erhöhte Prävalenz bei männlichen Patienten.
Trotz der Häufigkeit des Hämorrhoidalleidens gibt es nur wenige aussagekräftige epidemiologische Daten. Das liegt zum einen daran, dass viele Menschen aus Scham einen Arztbesuch vermeiden und zur Selbstbehandlung greifen. Problematisch ist zudem die Diagnosestellung. Patienten und nicht-proktologisch geschultes medizinisches Personal diagnostizieren mitunter Hämorrhoiden, obwohl eine andere anorektale Erkrankung als Ursache der Beschwerden vorliegt.
Die genaue Ätiologie des Hämorrhoidalleidens ist nicht sicher bekannt. Je nach Studie gibt es unterschiedliche und zum Teil auch widersprüchliche Ergebnisse. Ein multifaktorielles Geschehen scheint wahrscheinlich. Allgemein hat sich die Prolapstheorie (siehe Pathogenese) als pathogenetische Hypothese für die Entstehung des Hämorrhoidalleidens durchgesetzt.
AV-Shunts oder eine Hypervaskularisation: Möglicherweise sind AV-Shunts oder eine Hypervaskularisation für die Entstehung eines Hämorrhoidalleidens mitverantwortlich. Hintergrund der Vermutung: Sphinkter-ähnliche Strukturen zwischen dem Gefäßplexus im subepithelialen Raum der analen Übergangszone drosseln den arteriellen Blutzufluss und ermöglichen einen adäquaten venösen Rückstrom. Beim Hämorrhoidalleiden sind diese deutlich reduziert – mit der Folge einer verstärkten Blutfüllung des arteriovenösen Plexus. Analsphinkterdruck: Ob Veränderungen des Analsphinkters bzw. der intraanalen Druckverhältnisse zu vergrößerten Hämorrhoiden führen, ist nicht bewiesen. Die in den meisten Studien gemessenen erhöhten Ruhedrucke bei Patienten mit Hämorrhoidalleiden könnten zwar ätiopathogenetisch eine Rolle spielen, aber auch als dessen Folge auftreten.
Die gängigste pathogenetische Hypothese des Hämorrhoidalleidens ist die Prolapstheorie bzw. „sliding anal lining“-Theorie nach William Hamish Fearon Thomson. Diese beschreibt eine progressive Verlagerung des Corpus cavernosum recti nach distal.
„Sliding anal lining“-Theorie: Gemäß der Thomsonschen Theorie wird der Hämorrhoidalplexus durch einen erhöhten intraabdominellen Druck, beispielsweise während der Schwangerschaft oder beim Pressen, nach distal verlagert und vergrößert. Der Druckanstieg führt zu einer Zerstörung oder Deplatzierung der Gewebestrukturen, die die Gefäßpolster – das sind elastische Fasern und submuköse glatte Muskelfasern – in Richtung Analkanal fixieren. Im weiteren Verlauf prolabieren die Polster. Im Endstadium besteht der Hämorrhoidalplexus fast ausschließlich aus Bindegewebsfasern und wenigen ungeordneten hypertrophischen Muskelfasern; der Hämorrhoidalvorfall ist irreponibel. Die „sliding anal lining“-Theorie bietet jedoch keine pathogenetische Erklärung für ein Hämorrhoidalleiden mit rezidivierenden Blutungen ohne Prolapskomponente.
Hämorrhoiden werden entsprechend ihrer Größe und nach der Prolaps-Ausdehnung in den Analkanal bzw. vor den After klassifiziert. International hat sich die Grad-Einteilung nach Goligher etabliert:
Die Stadienübergänge sind fließend. Zudem können mehrere Lokalisationen mit unterschiedlichen Graden und/oder eine asymmetrische Verteilung vorliegen.
Ein Hämorrhoidalprolaps kann solitär als Knoten bzw. Polster, als multiple Knoten/Polster oder als zirkulärer Vorfall auftreten. Beim prolabierten Gewebe wird differenziert zwischen:
Von einem Anodermprolaps bzw. Analprolaps/Hämorrhoidal-Analprolaps wird gesprochen, wenn das Anoderm bei prolabierenden Hämorrhoiden außerhalb des Analkanals sichtbar wird.
Die Beschwerden bei Hämorrhoidalleiden sind uncharakteristisch. Hauptsymptom ist die peranale Blutung, die einmalig, rezidivierend oder kontinuierlich über einen längeren Zeitraum zu beobachten ist. Blutungen treten meist beim Stuhlgang bzw. nach der Defäkation auf, die Intensität kann variieren. Typisch sind hellrote Blutungen, die unterschiedlich ausgeprägt sein können. Oft finden sich Blutauflagerungen auf dem Toilettenpapier. Phasen mit kräftigen Blutungen nach jeder Stuhlentleerung mit blutungsfreien Intervallen über Wochen oder Monate können sich abwechseln. In seltenen Fällen sind blutungsbedingte Anämien möglich.
Cave: Transanale Blutungen sollen immer abgeklärt werden.
Patienten mit prolabierenden Hämorrhoiden leiden häufig an einer gestörten Feininkontinenz. Das kann mit einer schleimigen und fäkulenten Sekretion sowie analem Nässen mit Stuhlschmieren und stuhlverschmutzter Wäsche einhergehen. Nicht selten kommt es dadurch zu perianalen Irritationen mit Pruritus und Brennen. Als indirekte Folge kann ein irritativ-toxisches Analekzem resultieren. Stark vergrößerte, auf dem Schließmuskel aufliegende Hämorrhoiden verursachen oft ein Gefühl der unvollständigen Entleerung oder permanenten Stuhldrang.
Schmerzen: Mitunter sind Schmerzen als Charakteristika für symptomatische Hämorrhoiden beschrieben. Da Hämorrhoiden aber im nicht-sensiblen distalen Rektum lokalisiert sind, können sie anatomisch gesehen keine Schmerzen verursachen. Diese sind vielmehr auf begleitende Fissuren, eine Thrombose, ödematöse Marisken, Fisteln oder einen Abszess zurückzuführen. Der sehr selten auftretende inkarzeriert-thombosierte Hämorrhoidalprolaps kann allerdings mit deutlichen Schmerzen verbunden sein.
Die Diagnose eines Hämorrhoidalleidens beginnt mit der proktologischen Basisuntersuchung. Diese beinhaltet eine zielgerichtete Anamnese mit Schwerpunkt auf Art, Ausmaß und Dauer der Beschwerden (zum Beispiel Blutung, Prolaps, Hygiene, Ernährung und Flüssigkeitszufuhr), eine familiäre Karzinom-Anamnese (vor allem kolorektales Karzinom) und das Erfragen der Stuhlgewohnheiten (Frequenz, Konsistenz, Entleerung). Weitere diagnostische Schwerpunkte sind die Inspektion, digital-rektale Austastung und eine Ano- bzw. Proktoskopie.
Hinweis: Das Hämorrhoidal-Stadium soll nicht im Rahmen einer Koloskopie klassifiziert werden, da dies definitionsgemäß (siehe Klassifikation nach Goligher) unzuverlässig ist.
Die klinische Untersuchung beginnt üblicherweise mit einer Sensibilitäts- und Reflexprüfung (anokutaner Reflex) des Anoderms, zum Beispiel mit einem Wattestäbchen. Anschließend wird der äußere Schließmuskel in Entspannung und beim Zusammenkneifen palpiert. Die Funktion des M. levator ani kann überprüft werden, indem man den Patienten auffordert, den Finger in den Analkanal zu ziehen. Zur Provokation eines Hämorrhoidalvorfalls muss man den Patienten pressen lassen.
Mögliche Differenzialdiagnosen bei Hämorrhoidalleiden sind:
Ein Hämorrhoidalleiden kann konservativ und chirurgisch behandelt werden. Das konservative Management umfasst die Basistherapie mit Stuhlregulation (Ernährung), Beeinflussung des Defäkationsverhaltens und einer eventuellen medikamentösen Behandlung sowie die beiden nicht-operativen Maßnahmen Sklerosierung und Gummibandligatur.
Eine chirurgische Intervention kommt zum Einsatz, wenn konservative Versuche keinen Erfolg zeigten oder das Ausmaß der Hämorrhoiden (Grad IV) sehr wahrscheinlich nicht auf einen konservativen Behandlungsversuch ansprechen würde.
Hinweis: Primär asymptomatische Hämorrhoiden sollten nicht invasiv behandelt werden.
Ballaststoffe: Eine ballaststoffreiche Ernährung und stuhlregulierende Maßnahmen (Plantago ovata, indische Flohsamenschalen) wirken sich bei der Behandlung symptomatischer Hämorrhoiden positiv aus.
Stuhlregulation: Ein bei Hämorrhoidalleiden bestehendes falsches Defäkationsverhalten sollte mithilfe von geschultem Pflegepersonal korrigiert werden. Neben einer ausreichenden Ballaststoffzufuhr ist darauf zu achten, die Stuhlentleerung nicht zu erzwingen und Pressen zu vermeiden. Zudem sollte eine „Sitzung“ nicht länger als drei Minuten dauern. Insgesamt kann dadurch eine Symptomverbesserung erreicht werden.
Medikamentöse Therapie: Unter Umständen profitieren Patienten mit Hämorrhoidalleiden von einer medikamentösen Therapie – sowohl zur kausalen Behandlung als auch zur Optimierung des postoperativen Verlaufs. Die am häufigsten eingesetzten Arzneimittel sind Flavonoide wie Citrusbioflavonoide, Hesperidin, Diosmin, Rutin und Hydroxymethylrutinoside.
Flavonoide (Interna): Flavonoide gehören zur Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe und wurden primär als Venenmittel konzipiert. Sie wirken als Enzymhemmer, Immunzellaktivator und Radikalfänger. Zum Einsatz kommen vor allem Flavonoid-Gemische aus Diosmin und Hesperidin. Arzneimittel mit dieser Kombination sind zum Beispiel Daflon® Venalex® und Detralex®. Als hydroxilierte Flavonoid-Mischungen (Rutosiden und ß-Hydroxyethylrutosiden) ist Oxerutin (Venoruton®) verfügbar. Deflanin plus® enthält als Kombinationspräparat zwei Flavonoide (Quercetin und Hesperidin) und diverse Vitamine.
Diosmin und Hesperidin sollen das venöse Rückflusssystem beeinflussen, indem sie die Tonizität von Venen und Venolen erhöhen und damit Stauungen verhinderndie lymphogene Aktivität stimulieren und so den Lymphabfluss steigerndie Kapillarresistenz erhöhen und die Permeabilität der Kapillaren normalisieren
Hämorrhoidalia (Externa): Diese umfassen Lokalanästhetika, Kortikosteroide, Flavonoide und andere pflanzliche Wirkstoffe. Laut Leitlinie stellen sie lediglich eine symptomatische Therapieoption möglicher Begleitbeschwerden dar, zum Beispiel bei entzündlichen oder ödematösen Veränderungen.
Die Gummiring- oder Gummibandligatur (GBL) kommt meist bei Hämorrhoiden Grad II zum Einsatz. Hierbei wird das Hämorrhoidalgewebe durch Ansaugen über das Proktoskop gefasst und mit einem kleinen Gummiring abgeschnürt. Das abgestorbene Gewebe fällt einige Tage später ab, die Stelle vernarbt und schrumpft. Infolge wird überschüssiges (Hämorrhoidal-)Gewebe entfernt und gleichzeitig das dislozierte Anoderm repositioniert. Zwischen zwei Anwendungen wird ein Abstand von 14 Tagen empfohlen. Je mehr Ligaturen pro Eingriff appliziert werden, umso höher ist die Rate potenzieller Komplikationen und Nebenwirkungen, vor allem Schmerzen und Blutungen. Mögliche Kontraindikationen sind Gerinnungsstörungen und die Einnahme von potenten Antikoagulanzien. Zur Prävention postinterventioneller Schmerzen erhalten Patienten Schmerzmittel und lokal schmerzstillende Zäpfchen. Gemäß der Leitlinie sollte die Gummibandligatur bei symptomatischen Hämorrhoiden zweiten Grades als Methode der Wahl eingesetzt werden. Bei Hämorrhoiden Grad 3 und 4 ist aufgrund der besseren Erfolgsrate die GBL einer Sklerosierung vorzuziehen.
Eine operative Therapie des Hämorrhoidalleidens ist indiziert, wenn die Beschwerden mit konservativen Verfahren nicht ausreichend gelindert werden konnten. Bei Hämorrhoidalleiden Grad 3 und 4 sind chirurgische Interventionen bei entsprechendem Leidensdruck auch als primäre Therapie möglich. Bei Hämorrhoiden Grad 2 bis 3 werden mit einer Gummibandligatur ähnlich gute Kurzzeitergebnisse erzielt wie mit einer Operation. Deshalb sollte die GBL als Alternative zur Operation angeboten werden. Einerseits zeigt der chirurgische Eingriff in den Langzeitergebnissen keine Vorteile gegenüber der Ligatur. Andererseits sind die Schmerzintensität und Komplikationsrate nach einer Operation höher.
Konventionelle Operationsverfahren: Bei den konventionellen operativen Eingriffen wird pathologisch vergrößertes Hämorrhoidalgewebe reseziert. Je nach Versorgungsart der Resektionswunde kommen offene und geschlossene Verfahren infrage. Dessen Wahl hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem von der zugrundeliegenden segmentären oder zirkulären Form des Hämorrhoidalleidens:
Bei den unterschiedlichen Operationstechniken sind folgende Punkte zu beachten:
Raffende und ligierende Verfahren
Neben den klassischen invasiven Methoden gibt es raffende und ligierende Verfahren. Dazu gehört die Doppler-gesteuerte Hämorrhoidalarterienligatur (Doppler Guided Hemorrhoid Artery Ligation, DGHAL). Bei der DGHAL – andere Bezeichnungen sind Transanal Hemorrhoidal Dearterialization (THD) und Hämorrhoidal-Arterien-Ligatur (HAL) – wird die Blutzufuhr zu dem Hämorrhoidalknoten mittels Umstechungsligatur der vermeintlich zuführenden Hämorrhoidalarterie reduziert. Das Auffinden der Arterie erfolgt mit einem Ultraschall-Doppler-Gerät. Die Doppler-Sonde befindet sich in einem speziellen Proktoskop, das zur Platzierung der Umstechungsligatur zusätzlich über eine Führungsöffnung verfügt. Hierüber werden die submukös verlaufenden Arterien gezielt und in definiertem Abstand proximal zur Dopplersonde umstochen. Die DGHAL kann mit und ohne Recto-Anal-Repair (RAR) vorgenommen werden. Bei der Doppler-gesteuerten Hämorrhoidalarterienligatur mit RAR wird erstere um eine Raffung des vergrößerten Hämorrhoidalgewebes ergänzt.
Von folgenden Therapiemethoden rät die Leitlinie aufgrund hoher Komplikationsraten ab:
Niedriggradige Hämorrhoiden (Grad 1–2) können sich spontan zurückbilden. Eine spontane Beschwerdefreiheit ist möglich. Wird ein Hämorrhoidalleiden nicht behandelt, ist – vor allem in höheren Stadien – mit einer Progression der Beschwerden zu rechnen.
Ein Hämorrhoidalleiden ist nicht sicher zu verhindern. Einfach Maßnahmen helfen jedoch, das Erkrankungsrisiko zu minimieren. Dazu gehören: