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Proctalgia Fugax: Definition und Historischer Überblick

Definition: 

Proctalgia fugax ist eine Erkrankung, die durch plötzlich auftretende, extrem schmerzhafte Krämpfe im Analbereich gekennzeichnet ist. Diese Krämpfe sind kurzzeitig, episodisch und treten meist ohne Vorwarnung auf. Das Krankheitsbild ist wohl definiert, jedoch kann die Diagnose ausschließlich durch die Anamnese gestellt werden, da es keine spezifischen klinischen Tests gibt.

Historischer Hintergrund:

Erstbeschreibung: Das Syndrom wurde erstmals 1883 von Myrtle beschrieben.

Terminologie: Der Begriff "Proctalgia fugax" wurde 1935 von dem dänischen Mediziner Thaysen geprägt, der eine detaillierte Beschreibung der typischen Symptomatik veröffentlichte. Thaysens Arbeit trug maßgeblich zur Anerkennung und Definition des Krankheitsbildes bei.

Veraltete Synonyme:

Mit der Einführung des Begriffs "Proctalgia fugax" durch Thaysen wurden mehrere ältere Bezeichnungen obsolet. Diese beinhalten:

  • Perinealneuralgie
  • Perinealkrampf
  • Krampf des Afterschließmuskels
  • Nervöse Rektalgie
  • Neuralgia pudendo-analis
  • Paroxysmale Proktalgie

Häufigkeit und Epidemiologie der Proctalgia Fugax

  • Häufigkeit: Proctalgia fugax ist keine seltene Erkrankung. Aufgrund der kurzen Dauer und des plötzlichen Abklingens der Schmerzen betrachten viele Betroffene die Symptome nicht als behandlungsbedürftig oder als Krankheit. Dennoch zeigen gezielte Untersuchungen, dass das Syndrom häufiger vorkommt als allgemein angenommen.
  • Prävalenz in klinischen und gesunden Populationen: Ibrahim fand heraus, dass 4% seiner proktologischen Patienten an Proctalgia fugax litten.Thompson berichtet sogar von einer Prävalenz von 14% bei "gesunden" Kontrollpersonen.

Demografische Merkmale:

  • Alter: Die Erkrankung tritt selten vor der Pubertät auf und erreicht ihren Häufigkeitsgipfel zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr, mit einem durchschnittlichen Manifestationsalter von 44 Jahren.Geschlecht: Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer.

Verlauf und Dauer: 

  • Wiederholtes Auftreten: Die wiederholten Anfälle von Proctalgia fugax erstrecken sich durchschnittlich über einen Zeitraum von 11 Jahren.Frequenz, Intensität und Dauer der Attacken: Mit zunehmendem Alter nehmen die Häufigkeit, Intensität und Dauer der Schmerzattacken ab.

Assoziationen:

  • Gastrointestinale Krankheiten: Es gibt keine Hinweise auf eine Assoziation zwischen Proctalgia fugax und gastrointestinalen Erkrankungen.

Ätiopathogenese der Proctalgia Fugax

Die Ätiopathogenese der Proctalgia fugax ist komplex und multifaktoriell, wobei verschiedene mögliche Auslöser und Mechanismen diskutiert werden:

  1. Muskuläre Spasmen: Sphinkter- und Beckenbodenmuskulatur: Spasmen dieser Muskeln sowie im Bereich des rektosigmoidalen Übergangs werden als mögliche Auslöser betrachtet.Intraluminale Druckmessungen: Harvey konnte bei zwei Patienten während eines Anfalls vermehrte Kontraktionen im Rektosigmoid nachweisen.
  2. Kolonschleimhaut und Schleimsekretion: Stenosierendes Ödem: Marti beobachtete bei einigen Patienten während eines Anfalls ein stenosierendes Ödem der Kolonschleimhaut, verbunden mit einer erhöhten Schleimsekretion und folgerte eine Kongestion aufgrund von Hypervaskularisation.
  3. Genetische Faktoren: Autosomal-dominante Myopathie: Es gibt Hinweise darauf, dass Proctalgia fugax bei Patienten mit einer autosomal-dominant vererbten Myopathie des inneren Schließmuskels häufiger auftritt.
  4. Ruhedruck und Sphinkterspasmus: Erhöhter Ruhedruck: Eckhardt und Mitarbeiter fanden bei 18 Patienten einen leicht erhöhten Ruhedruck und vermuten, dass die Anfälle durch Spasmen des inneren Schließmuskels ausgelöst werden.
  5. Therapeutische Ansätze: Hämorrhoidaltherapie: Lans zeigte in 11 Fällen, dass durch Hämorrhoidaltherapie mittels Sklerosierung oder elastischer Ligatur Symptomfreiheit erreicht werden kann.
  6. Psychosomatische Faktoren: Psychische Disposition: Es besteht eine hohe Inzidenz von Proctalgia fugax bei ängstlichen und perfektionistischen Personen, die ihre Ängstlichkeit somatisch im Rektum und Anus ausdrücken.Trigger-Faktoren: Zusätzliche Trigger-Faktoren wie Träume erotischen Inhalts, Koitus (besonders nach längerer Enthaltsamkeit), frustrane Defäkationsversuche und Dehnung des Rektums durch Gase oder Stuhlmassen können Anfälle auslösen.

Symptome der Proctalgia Fugax

Die Proctalgia fugax ist durch wiederkehrende Schmerzattacken im Anus- und Rektalbereich gekennzeichnet, die in Tages- und Nachtattacken unterteilt werden können:

1. Tagesattacken:

Schmerzcharakter: Die Schmerzen treten plötzlich ohne Vorwarnung auf und werden als krampfartig ziehend, stechend-schneidend oder als dumpfer Druck empfunden.Schmerzlokalisation: Sie sind im Bereich des Anus und des Analkanals lokalisiert und können bis ins Rektum und den Unterbauch ausstrahlen.Schmerzintensität und -verlauf: Die Schmerzen können permanent anhalten oder wellenförmig verlaufen, mit einer Dauer von einigen Minuten bis zu einer Stunde.Begleitsymptome: Starke Anfälle können von Schwindelgefühl, Schweißausbruch, Übelkeit, Brechreiz und sogar Kollaps begleitet sein.

2. Nachtattacken:

Auftreten: Diese treten meist in den frühen Morgenstunden auf und reißen den Patienten aus dem Schlaf.Schmerzintensität: Die nächtlichen Anfälle werden als weniger intensiv und weniger schmerzhaft im Vergleich zu den Tagesattacken beschrieben.

3. Intervall:

Wiederkehr: Die Proctalgia fugax kehrt in unregelmäßigen Intervallen von Wochen oder Monaten wieder.

Diagnostik:

Die Diagnose von Proctalgia fugax basiert ausschließlich auf der Schilderung der Symptome durch die Patienten. Typischerweise berichten die Betroffenen über plötzlich einsetzende, starke Schmerzen im Analbereich, die nur wenige Sekunden bis Minuten andauern. Diese Berichte sind oft sehr ähnlich, wobei die genaue Beschreibung der Schmerzen durch das individuelle Vokabular der Patienten variiert.

Differentialdiagnostik

Differentialdiagnostisch müssen in erster Linie die Analfissur, das Anogenitalsyndrom und
beginnende entzündliche intramurale Prozesse ausgeschlossen werden.

Therapie der Proctalgia Fugax

Die Behandlung der Proctalgia fugax umfasst verschiedene Ansätze, von medikamentöser Therapie bis hin zu physischen Interventionen. Hier sind einige der häufigsten und erfolgreichsten Methoden:

Medikamentöse Therapie:

  • Clonidin
  • Nifedipin: Erfolgreiche Anwendung: Babb erzielte mit Nifedipin, einem Kalziumkanalblocker, positive Ergebnisse in der Behandlung der Proctalgia fugax.
  • Behandlung von Hämorrhoiden
  • Nitroglyzerin: Empfohlen wird die sublinguale oder anale Applikation von Nitroglyzerin, um den Tonus des inneren Schließmuskels zu senken.
  • Salbutamol: Die inhalative Anwendung des Sympathomimetikums Salbutamol kann ebenfalls zur Senkung des Schließmuskeltonus beitragen.

Physische Interventionen:

  • Druck auf das Perineum: Druck mit der Faust auf das Perineum kann helfen, die Schmerzen zu lindern.
  • Wärmeapplikation Sphinkterrelaxation: Wärmeapplikationen, wie warme Sitzbäder, können zur Entspannung des Schließmuskels beitragen.
  • Sphinkterdehnung
  • Einlauf: Ein Einlauf kann helfen, den Darm zu entleeren und den Schließmuskel zu entspannen.

Herausforderungen der Therapie: Die Verifizierung einer erfolgreichen Arzneimitteltherapie ist oft schwierig, da der Anfall meist bereits spontan abklingt, bevor das Medikament vollständig wirkt. Daher wird häufig eine Kombination aus medikamentösen und physischen Interventionen angewendet, um die Symptome effektiv zu lindern.

Zusammenfassung:

Proctalgia fugax ist eine klar definierte, jedoch sehr schmerzhafte Erkrankung, die sich durch ihre charakteristischen, anfallsartigen Schmerzepisoden im Analbereich auszeichnet. Trotz der intensiven Schmerzsymptomatik ist die Diagnose nur durch eine sorgfältige Anamnese möglich. Das Verständnis dieser Erkrankung und die korrekte Benennung sind entscheidend für die angemessene Betreuung und Behandlung der Patienten. Historisch gesehen hat die Arbeit von Myrtle und Thaysen wesentlich zur Definition und Anerkennung dieses Syndroms beigetragen.