Eine Analfissur ist eine radiär verlaufende Läsion in der Schleimhaut des Analkanals (Anoderm). In 80–90 Prozent der Fälle ist der Riss in der posterioren Kommissur des Analkanals (distal der Linea dentata) in sogenannter „6-Uhr-Steinschnittlage“ lokalisiert. Unterschieden werden primäre und sekundäre sowie akute und chronische Analfissuren. Typische Symptome sind Schmerzen bei der Defäkation und Brennen nach dem Stuhlgang. Die Analfissur wird mittels Inspektion und Palpation sowie einer Proktoskopie diagnostiziert. Therapeutisch ist eine Verminderung des Sphinkter-Hypertonus anzustreben – zunächst konservativ, bei unzureichender Wirksamkeit operativ.
Analfissuren kommen relativ häufig vor. Genaue epidemiologische Daten zu Inzidenz und Prävalenz gibt es allerdings nicht. Das Lebenszeitrisiko – also die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens einen Afterschleimhautriss zu erleiden, liegt bei 8 bis 11 Prozent. Eine signifikante Geschlechterpräferenz gibt es nicht.
Primäre Analfissuren: Primäre Analfissuren entstehen spontan und ohne eine zugrunde liegende Erkrankung. Als mögliche Ursachen werden Faktoren diskutiert, die den Sphinktertonus erhöhen. Dazu gehören vor allem Obstipation und harter Stuhl. Zu den Risikofaktoren zählen damit die ballaststoff- und faserarme Ernährung, Adipositas und Hypothyreoidismus. Schwangerschaft: Die erhöhte Inzidenz in der Schwangerschaft kann auf eine Obstipation zurückzuführen sein. Diarrhoe: Eine Studie aus dem Jahr 2006 zeigte auch bei Patienten mit Diarrhoe eine erhöhte Inzidenz von Analfissuren besteht.
Sekundäre Analfissuren: Sekundäre Analfissuren zeigen sich meist als uni- oder multifokale Ulzerationen im Analkanal bzw. am Analrand. Sie können mechanisch, bakteriell, viral, entzündlich oder immunologisch sowie medikamentös-toxisch bedingt sein. Die erregerbedingten venerischen Erkrankungen umfassen Infektionen mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV), dem Zytomegalievirus (CMV), Herpes-simplex-Viren (HSV) und Chlamydia trachomatis (Serotypen S–K, L1–L3) sowie Tuberkulose, Syphilis, Gonorrhoe, Histoplasmose und Leishmaniose. Darüber hinaus kann Morbus Crohn mit einer perianalen Pathologie vergesellschaftet sein. Eine Assoziation mit Analfissuren ist in dieser Gruppe deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung.
Der exakte Entstehungsmechanismus der Analfissur ist bislang ungeklärt. Als bedeutsame pathogenetische Faktoren werden ein erhöhter Tonus des M. sphincter ani internus und nichtdrainierte Low-grade-Infektionen diskutiert. Allerdings spricht der Erfolg der meisten Therapiekonzepte, die den Sphinktertonus reduzieren, eher für den Hypertonus. Der erhöhte Schließmuskeldruck wird von der aktuellen Leitlinie als zentraler Punkt im Circulus vitiosus aus Hypertonus, Ischämie, Entzündungsreiz und Schmerz bewertet.
Eine Analfissur verursacht in der Regel starke, teils reißende Schmerzen während der Defäkation. Anschließend verspüren viele Betroffene ein scharfes Brennen. Nach der Stuhlentleerung können die Beschwerden – je nach Art der Analfissur (akut oder chronisch) – für mehrere Stunden anhalten. Neben dem Analschmerz bemerken die Patienten häufig Blutauflagerungen auf dem Stuhl oder Spuren von hellrotem Blut auf dem Toilettenpapier. Die Symptomatik kann die Lebensqualität der Patienten erheblich einschränken.
Abhängig vom zeitlichen Auftreten wird die akute von der chronischen Analfissur unterschieden. Von letzterer wird gesprochen, wenn die Beschwerden länger als sechs bis acht Wochen anhalten.
Der Verdacht auf eine Analfissur ergibt sich bereits aus der Anamnese. Die proktologische Untersuchung umfasst die Inspektion und Palpation und – falls möglich – eine Proktoskopie. Üblicherweise lässt sich eine Analfissur bereits durch Spreizung der Nates darstellen. In 80–90 Prozent der Fälle ist der Riss in der posterioren Kommissur des Analkanals (distal der Linea dentata) in sogenannter „6-Uhr-Steinschnittlage“ lokalisiert. Eine Proktoskopie dient der Bestätigung der Verdachtsdiagnose und dem Ausschluss möglicher Differenzialdiagnosen. Aufgrund der Schmerzhaftigkeit und des erhöhten Sphinktertonus ist sie jedoch bei einer Vielzahl der Betroffenen initial nicht durchführbar. Bei einer atypisch lokalisierten Analfissur (akut oder chronisch) ist eine erweiterte Diagnostik indiziert. Diese sollte serologische und mikrobiologische Untersuchungen auf HIV, CMV, Chlamydia trachomatis, Lymphogranuloma venereum, Neisseria gonorrhoeae, Histoplasmose und Leishmaniose beinhalten. Bei Verdacht auf M. Crohn soll gemäß der Leitlinie eine Koloskopie mit Biopsie-Entnahme erfolgen.
Eine Analfissur kann sich ähnlich wie andere Erkrankungen präsentieren. Diese sollten differenzialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Dazu gehören vor allem:
Die Therapie unterscheidet sich nach der Beschwerdedauer und Form der Analfissur.
Akute Analfissuren heilen in vielen Fällen von selbst aus. Bei einer therapeutischen Intervention kommen folgende konservative Therapien zum Einsatz:
Im Vergleich zur akuten Fissur heilen chronische Analfissuren deutlich seltener durch eine konservative Behandlung ab. Dennoch soll allen Patienten ein konservativer Therapieversuch über sechs Wochen angeboten werden, bevor eine operative Therapie eingeleitet wird.
Bei chronischen Analfissuren empfiehlt die aktuelle Leitlinie folgende konservative Therapiemaßnahmen:
Zur Behandlung der chronischen Analfissur werden folgende operative Verfahren empfohlen:
Die Fissurektomie weist eine höhere Heilungsrate auf als alle konservativen Maßnahmen – jedoch eine geringere als die laterale Internus-Sphinkterotomie (LIS). Letztere birgt dafür ein höheres Inkontinenzrisiko. Deshalb haben sich die Leitlinienexperten für die Fissurektomie als Erstlinientherapie bei den operativen Verfahren entschieden.
Beide Techniken erzielen ähnliche Ergebnisse bezüglich der Heilungserfolge und Nebenwirkungen. Gemäß der aktuellen US-amerikanischen Leitlinie gilt die LIS aufgrund ihrer hohen Heilungsraten als Goldstandard unter den chirurgischen Verfahren.
Eine akute Analfissur heilt meist nach wenigen Wochen spontan und ohne Folgeschäden ab. Chronische Analfissuren haben nach konservativer Behandlung oder chirurgischer Intervention ebenfalls eine gute Prognose. Bei der Wahl der operativen Methode sollte das erhöhte Risiko einer Stuhlinkontinenz bedacht werden.